2. Stammstrecke auf den Prüfstand stellen!

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Die Staatsregierung wird aufgefordert,

a) dem Landtag zeitnah über die Umplanungen beim Projekt „Zweite Münchner S-Bahn-Röhre“ und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu berichten. Hierbei ist unter anderem auf die Fragen einzugehen, weshalb nicht bereits bei der Vorplanung berücksichtigt worden ist, dass das neue S-Bahn-Bahnhofs-Bauwerk für den Haltepunkt Hauptbahnhof nicht bei so geringer Überdeckung unter dem Bahnhofs-Bauwerk der U 1/U 2 platziert werden darf, und wer für den Planungsfehler die Verantwortung trägt. Auch ist zu erläutern, wie sich die Umplanungen, die nicht nur die Platzierung des Bahnhofsbauwerks und dessen Zuwegungen, sondern auch das Bauverfahren und den Bauablauf betreffen, auf die Kostenentwicklung und die Zeitplanung beim
Projekt „Zweite Münchner S-Bahn-Röhre“ auswirken,

b) sich gegenüber der DB AG und der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass das Projekt „Zweite Münchner S-Bahn-Röhre“ auf den Prüfstand gestellt wird und dabei hinterfragt wird, ob
das Projekt angesichts der drohenden weiteren Kostensteigerungen und des zu erwartenden Zeitverzugs tatsächlich weitergeführt werden soll,

c) dafür Sorge zu tragen, dass im Zuge der Planänderung und des in dieser begründeten neuerlichen Genehmigungsverfahrens auf Korrektheit der Beachtung und Bewertung des Brandschutzes und anderer Sicherheitsvorkehrungen geachtet wird und dass eine neuerliche Standardisierte Bewertung, in welcher die Kostenentwicklung wie auch die zusätzlichen Verschlechterungen bei der Bedienungsqualität infolge des Wegfalls das Ausstiegs Schützenstraße Berücksichtigung finden, korrekt durchgeführt wird,

d) zu veranlassen, dass endlich dringend notwendige Investitionsmaßnahmen sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebs- und der Bedienungsqualität bei der Münchner S-Bahn, wie etwa die Verbesserung der Leit-, Steuerungs- und Regeltechnik, die Herstellung und Gewährleistung von Redundanz für die Verkehrsabwicklung auf der Stammstrecke, die Beseitigung von Engpässen und Zwangspunkten im Münchner S-Bahn-Netz wie Fahrstraßenkreuzungen, Eingleisbetrieb und Mischverkehr, die Ertüchtigung des Bahn-Südringes zur Aufnahme von S-Bahnen sowie die Organisation eines einigermaßen vernünftigen Informationsangebotes in Angriff genommen werden.

Begründung:
Das Projekt „Zweite Münchner S-Bahn-Röhre“ steht, was Kostensteigerungen und Terminverschiebungen anbelangt, den Vorhaben Stuttgart 21 und Flughafen Berlin-Schönefeld in Nichts nach. Bis ins Jahr 2005 hinein verkündeten die Protagonisten der „Zweiten Röhre“ deren Fertigstellung und Inbetriebnahme für das Jahr 2010. Zuletzt wurde seitens DB AG und Staatsregierung die Fertigstellung im Jahr 2026 versprochen. Ende 2016 bezifferten Staatsregierung und DB AG die Kosten auf 3,84 Milliarden Euro, 2001 war die Rede gewesen
von weniger als 600 Millionen Euro. Hinzu kommt, dass das Projekt laufend gestutzt und für die Fahrgäste und Steuerzahler immer noch schlechter gemacht wurde und wird. Zuerst wurden mit dem Arnulfpark, dem Maxmonument und dem Max-Weber-Platz drei von sechs ursprünglich eingeplanten Haltepunkten (und damit auch Verknüpfungspunkten) gestrichen. Dann wurde der Südast (Abzweig ab der Isar in Richtung Giesing) gekappt. Mitten im laufenden Planungs- und Genehmigungsverfahren verabschiedete mman sich schließlich vom Vorhaben, den 10-Minuten-Takt (zumindest zu Stoßzeiten) auf den „Mittelästen“ fahren zu können, ursprünglich das eigentliche Planungsziel des Projektes „Zweite Stammstrecke“. Jetzt wurde bekannt, dass das S-Bahn-Bahnhofs-Bauwerk für den Haltepunkt Hauptbahnhof gegenüber der bis dato planfestgestellten Variante um mindestens 80 Meter in Richtung Westen verschoben werden muss. Der sog. Nukleus, das zentrale Aufgangs-Gebäude, soll zwar an der gleichen Stelle bleiben, wie bisher geplant und planfestgestellt, doch dürften auch hier Umplanungen aufgrund der Änderung der Zuwegungen fällig sein. Mit der Verschiebung der Station Hauptbahnhof in Richtung Westen soll der bisher vorgesehene Ausstieg Schützenstraße mentfallen, was zu weiteren Verschlechterungen für werktäglich tausende von Fahrgästen führen würde.

Grund für die neuerliche Umplanung dürfte die Tatsache sein, dass die Überdeckung zwischen dem geplanten S-Bahn-Bahnhofsbauwerk und der Tunnelsohle des vorhandenen UBahnBauwerks (U1/U2) für das bislang vorgesehene Bauverfahren zu gering ist. Es zeichnet sich nun ab, dass nicht nur das Bahnhofs-Bauwerk an anderer Stelle, als eingereicht und genehmigt, gebaut werden muss, sondern dass auch vom ursprünglich vorgesehenen Bauablauf grundlegend abgewichen werden soll. In jedem Fall dürfte mindestens eine dritte Tektur des PFA 1 fällig sein, das bedeutet: Planfeststellung nach § 18 Abs. 1 AEG, PFA 1, dritte Planänderung. Dies wiederum mit Einwendungen und Erörterung selbiger. Möglicherweise werden noch weitere Umplanungen erforderlich, welche wiederum nach neuen Genehmigungen verlangen. Als ein Beispiel hierfür sei die Station Ostbahnhof genannt, bei der die aktuellen Planungen auch nur eine Tieflage der neuen S-Bahn-Stammstrecke von etwa sechs Metern unter der Tunnelsohle des Bahnhofs-Bauwerkes der U 5 vorsehen und bei deren Bau im Kreuzungsbereich das bestehende U-Bahnhofs-Bauwerk von unten geöffnet werden soll.

Infolge der Umplanungen sind weitere Zeitverzögerungen und weitere Kostensteigerungen zu erwarten. Im Zusammenhang mit den immensen Kostensteigerungen beim Projekt „Stuttgart 21“ hat sich der Vorstandschef der DB AG, Richard Lutz, unlängst mit deutlichen Worten von eben diesem 3 Projekt distanziert. So wird er mit dem Satz, „Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen“, aus der Sitzung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages vom 18. April 2018 zitiert. Allerdings sei es angesichts der mittlerweile aufgelaufenen Kosten wirtschaftlicher, das Projekt fortzuführen, so Lutz. Um nicht in die gleiche missliche Situation zu kommen wie bei „Stuttgart 21“, ist das Projekt „Zweite Münchner S-Bahn- Röhre“ jetzt auf den Prüfstand zu stellen. Dabei ist zu hinterfragen, ob das Projekt angesichts der drohenden weiteren Kostensteigerungen und des zu erwartenden Zeitverzugs tatsächlich weitergeführt werden soll. Bei der Überprüfung ist auch die in Fachwelt und Öffentlichkeit immer wieder am Projekt „Zweite Münchner SBahn-Röhre“ geäußerte grundsätzliche Kritik zu berücksichtigen. Als wesentliche Kritikpunkte sind diesbezüglich zu nennen:

a) die Kosten in Milliardenhöhe stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen, b) das Vorhaben kannibalisiert durch seine Kosten, aber auch durch die Bindung von Planungskapazitäten wirklich wichtige Projekte des SPNV in ganz Bayern, c) es würde zwangsläufig mit Inbetriebnahme der „Zweiten Röhre“ für tagtäglich zigtausende von Fahrgästen zu massiven Verschlechterungen [1) neue Umsteigezwänge, 2) Taktausdünnungen zu Stoßzeiten] kommen und d) das Projekt weist, so wie geplant, gravierende Mängel bezüglich des Brandschutzes und sonstiger Sicherheitsaspekte auf. Was den drohenden weiteren Zeitverzug anbelangt, so sei an dieser Stelle erinnert an die Einschätzung des langjährigen Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Erwin Huber – in seinem früherem Amt als Wirtschaftsminister auch zuständig für den SPNV –, der bereits Anfang 2011, zu diesem Zeitpunkt war die Fertigstellung der 2. Stammstrecke für 2018 verkündet worden, die Fertigstellung bis 2026 in Zweifel stellte und größere Chancen für die Fertigstellung im Jahr 2034 sah (siehe Protokoll der 42. WI vom 03.02.2011, S. 13.). Im Interesse der Fahrgäste der Münchner S-Bahn, aber auch aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind jetzt Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebs- und der Bedienungsqualität bei der Münchner SBahn
in Angriff zu nehmen und umzusetzen anstatt weitere zig Millionen Euro und später dann sogar Milliarden Euro zu verplanen, zu verbauen und zu verbuddeln für ein Projekt, das vielleicht erst in 15 oder 20 Jahren oder auch gar nicht fertiggestellt wird.

Martin Runge, MdL