Anlässlich der Erklärung der Bahn, die Vorplanung für den Ausbau der S 4 sei in Auftrag gegeben, fordert MdL Martin Runge: der S 4-Ausbau muss jetzt endlich aufs Gleis gesetzt werden. 1. Es darf nicht wie bisher immer nur bei Ankündigungen und gebrochenen Versprechen bleiben. 2. Planungsschritte sind für sinnvolle Investitionen und nicht für einen „Schmalspur-Ausbau“ zu gehen.
Die DB AG hat unlängst verlauten lassen, die Vorplanungen zum Ausbau der S4, und hier v.a. den Bau eines dritten Gleises zwischen Pasing und der Eichenau, in Auftrag gegeben zu haben. Wir GRÜNE würden es begrüßen, sollte hier endlich tatsächlich etwas vorwärts gehen, sehen allerdings den Ausbau nur dreigleisig und auch nur bis Eichenau als unzureichend an.
Die S 4 ist gehört zu den S-Bahn-Linien, die vor ihrer Einbindung in die Stammstrecke die meisten Fahrgäste haben. Ausgerechnet die S 4 hat aber keine eigenen Gleise, muss also im Mischverkehr fahren (neben den S-Bahnen Regional-, Fern- und Güterverkehr). Dringend notwendige Investitionsmaßnahmen wie beispielsweise die Entschärfung des Engpasses „Westkopf Pasing“ und der Ausbau bis Buchenau wurden und werden immer wieder zugesagt, dann aber auch immer wieder in die fernere Zukunft verschoben. Gerade aber der Zwangspunkt „Westkopf Pasing“ wie auch generell der Mischverkehr sorgen für jede Menge an Verspätungen, die dann wiederum in die Stammstrecke und anschließend in das gesamte S-Bahn-Netz getragen werden.
Zur Forderung 1: Es darf nicht wie bisher immer nur bei Ankündigungen und gebrochenen Versprechen bleiben.
Die Zahl der Ankündigungen von Staatsregierung und Bahn, den dringend notwendigen Ausbau der S 4 voranzutreiben ist Legion. Nachfolgend eine kleine Auswahl. Bereits im August 1991 erhielt die damalige Bundesbahn den Auftrag, Investitionsmaßnahmen zur Einführung des 10-Minuten-Taktes in der Hauptverkehrszeit für die Strecke zwischen Pasing und Buchenau zu planen. Mitte 2003 versprachen Bayerns Wirtschafts- und Verkehrsminister Otto Wiesheu und Bahnchef Hartmut Mehdorn, den Ausbau der Strecke nach Buchenau so voranzutreiben, dass bis zum Jahr 2009, spätestens aber bis 2010 der 10-Minuten-Takt möglich sei. In der Rahmenvereinbarung über das 10-Jahres-Entwicklungskonzept für den Schienenverkehr im Freistaat Bayern zwischen der DB AG und dem Freistaat Bayern vom September 2003 war beispielsweise der Ausbau („S 4 West: Streckenausbau zur Einführung des 10-Minuten-Taktes“) als „einvernehmlich als prioritär eingestufte Maßnahme“ enthalten.
In der Bayerischen Staatszeitung vom 23. September 2005 fand sich die Bekanntmachung der europaweiten Ausschreibung für die Planung der Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI (Grundlagenermittlung und Vorplanung) für den „4gleisigen Oberbau der ca. 19 km langen zweigleisigen Mischbetriebsstrecke München – Pasing – Buchenau sowie deren höhenfreie Einbindung in den Bf. München-Pasing.“
Des Weiteren konkret benannt waren in der genannten Bekanntmachung der „Ersatz von 5 Bahnübergängen durch Bauwerke“ und der „barrierefreie Ausbau von 5 S-Bahnstationen“. Und in der Staatszeitung vom 14. Juli 2006 war die „Projektsteuerung im Zuge der Leistungsphasen 1 und 2 von Ingenieurbauwerken, Verkehrsanlagen und technischer Streckenausrüstung für den S-Bahn-Ausbau München – Pasing – Buchenau“ ausgeschrieben. In einer Planungsvereinbarung aus dem Jahr 2006 verpflichtete sich die DB AG zur Vorentwurfs-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung, die Staatsregierung sicherte im Gegenzug die Übernahme der Kosten für die Planungen durch den Freistaat zu. Der damalige Verkehrsminister Erwin Huber reagierte in einem Schreiben vom 25.01.2007 auf einen unserer einschlägigen Anträge mit folgenden Zeilen: „… wurde eine Voruntersuchung für den Ausbau Pasing – Buchenau durchgeführt. Eine Machbarkeitsstudie erfolgte 2004/2005. Aufgrund einer Planungsvereinbarung vom Juni 2006 mit dem Freistaat Bayern erstellt die DB Netz die Vorentwurfs-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Die Vorplanung/Nutzen-Kosten-Untersuchung soll bis Mitte 2007 und die Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis Mitte 2008 abgeschlossen sein.“
Mit den Beschlüssen der Bayerischen Staatsregierung (23. März 2010) und des Landtages (14. April 2010) mit einer Mehrheit aus CSU, FDP und SPD zum Bahnknoten München wurde jedoch entschieden, dass der S 4-Ausbau nicht mehr erste Priorität genießen und, wenn überhaupt, nur mehr bis Eichenau geführt werden soll. Auch fortan gab es immer nur Ankündigungen. So erklärte beispielsweise der zu diesem Zeitpunkt zuständige Staatsminister Zeil im Spätsommer 2011: „Im Falle eines positiven Ergebnisses“ der zu diesem Zeitpunkt laufenden, aber auch schon für 2008 als fertiggestellt angekündigten, „Nutzen-Kosten-Untersuchung wird die Bahn die Entwurfs- und Genehmigungsplanung starten“. Im August 2015 versuchte die Staatsregierung ihr vermeintliches Bedauern darüber auszudrücken, dass die Entwurfsplanung (Leistungsphase 3 der HOAI) noch nicht abgeschlossen sei, und suggerierte damit, dass es bereits die Grundlagenermittlung und die Vorplanung gäbe, und im März 2016 ließ die mittlerweile dem Bayerischen Innenministerium zugeordnete Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) verlauten, der Ausbau der S 4 befinde sich in der Vorplanung. Jetzt, im Januar 2018, gibt es zum x-ten Mal die Verkündigung, dass die Vorplanung laufe.
Zur Forderung 2: Planungsschritte sind für sinnvolle Investitionen und nicht für einen „Schmalspur-Ausbau“ zu gehen
Wie oben ausgeführt, war über Jahrzehnte der viergleisige Ausbau zwischen Pasing und der Buchenau zugesagt. Jetzt sollen Planungen für einen nur mehr dreigleisigen Ausbau, und dieses auch nur bis Eichenau, gemacht werden. Eben einen solchen dreigleisigen Ausbau bis Eichenau hatte noch vor wenigen Jahren die DB AG vehement als „nicht zielführend“ abgelehnt. Unseres Erachtens wäre ein nur dreigleisiger Ausbau, zumal nur bis Eichenau, im Zweifelsfall doch nichts anderes als teure Flickschusterei. Drohen würde, dass die Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit der S 4-West zementiert würden und dass die Zugzahlen des Regionalverkehrs München – Kaufering/Buchloe/Allgäu wie auch des Fernverkehrs in die Schweiz auf lange Zeit limitiert würden.
Näheres hierzu durch ausgewiesene Experten:
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fengler (TU Dresden): „Die [zusätzliche] Leistungsfähigkeit [einer dreigleisigen Strecke] gegenüber einer zweigleisigen Strecke beträgt allerdings nicht mehr als ca. 25%.“ (Zitat aus: Fengler, W. in: Jänsch, H.: Das System Bahn, „9.2 Bahnanlagen“. 2.Auflage, Eurailpress, Hamburg, 2016; S.368)
Dr.-Ing. Rudolf Breimeier: „Zweigleisige Hauptbahnen mit Mischbetrieb schneller und langsamer Züge weisen erfahrungsgemäß in der Summe beider Richtungen eine Leistungsfähigkeit von 300 bis 320 Zügen/Tag auf. Wird eine bislang zweigleisige Strecke um ein drittes Gleis erweitert, steigt die Strecken-Leistungsfähigkeit keineswegs um 50% an. Bei der konventionellen Form der Dreigleisigkeit werden die beiden äußeren Gleise jeweils in einer Richtung befahren. Das zusätzliche dritte Gleis wird mittig angeordnet und für ‚fliegende Überholungen‘ in beiden Richtungen genutzt. Hiermit entspricht die Charakteristik des dritten Gleises etwa der einer eingleisigen Strecke, deren Leistung auf 70 bis 80 Züge/Tag beschränkt ist. Die Erweiterung einer zweigleisigen Strecke um ein drittes Gleis lässt in der Regel eine Leistungssteigerung um 25% auf rund 400 Züge/Tag erwarten. (…) ‚verschränkten Dreigleisigkeit‘ (…). Hierdurch wird lässt sich die Leistungsfähigkeit gegenüber einer zweigleisigen Streck um bis zu 30% steigern.“ (Zitat aus: Breimeier, R. in: Eisenbahn-Revue International 1/2016, „Hafen-Hinterland-Verkehr: Ein untaugliches Schienenprojekt“. Minirex, Luzern, 2016 )
Und weiter mit Dipl.-Ing. Stefan Baumgartner aus dessen Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 zum BVWP 2015 (Schiene): „Demgegenüber hat eine zusätzliche zweigleisige Strecke (d.h. ein viergleisiger Ausbau einer zweigleisigen Bestandsstrecke) eine zusätzliche Leistungsfähigkeit von mindestens 100% auf insgesamt mindestens 200%. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit kann auch auf mehr als das doppelte erfolgen, wenn durch Entmischung der Zugverkehre deren fahrdynamisches Verhalten auf zwei Gleise je Richtung sortiert werden und damit die Geschwindigkeitsscheren zwischen langsamen und schnellen Zügen nicht mehr maßgebend sind, sondern vielmehr sich die fahrplangebundene Leistungsfähigkeit je nach Haltepolitik an den Zugfolgezeiten zweier fahrdynamisch gleichartiger Züge orientiert.
Auf dreigleisigen Strecken ist dieser Effekt massiv eingeschränkt durch Gegenfahrtenkonflikte: Bei – auch abschnittsweisen – dreigleisigen Ausbaumaßnahmen zuvor zweigleisiger Strecken würde es zwangsweise zu Folgefahrtenkonflikten (Mischbetrieb langsame oder schnelle Züge in mindestens einer Fahrtrichtung) und/oder zu Gegenfahrtenkonflikten (langsame oder schnelle Züge in eingleisiger Führung) kommen. Eine flexible betriebliche Nutzung eines mittigen dritten Gleises in beiden Fahrtrichtungen (de facto ein Richtungsbetrieb) ist inkompatibel sowohl mit einem späteren Ausbaubedarf auf einen viergleisigen Linienbetrieb als auch auf einen viergleisigen Richtungsbetrieb mit innen/außen-vertauschten Gleiszuordnungen schneller und langsamer Zugfahrten; hierbei sind auch ggf. erforderliche Wechsel auf das Gleis der Gegenrichtung bei Fahrtrichtungswechsel (z.B. bei S-Bahnen) oder im Falle von Betriebsstörungen zu berücksichtigen.
Diese Zusammenhänge sind bei allen Ausbaumaßnahmen auf drei oder eine andere ungerade Anzahl von Gleisen zwingend zu berücksichtigen und um einen perspektivischen Ausblick zu ergänzen: Die gemäß Eisenbahnkreuzungsgesetz übersehbare Verkehrsentwicklung über 10 Jahre ist zumindest hinsichtlich der Dimensionierung der an den Kreuzungen beteiligten Eisenbahnstrecken hinsichtlich der langen Realisierungszeiträume von Eisenbahnvorhaben sowie der langen Lebensdauer keineswegs ausreichend, sondern führt zu kurzsichtigen volkswirtschaftlichen Fehlentscheidungen, welche bei Notwendigkeit eines vierten Gleises einer dreigleisig ausgebauten Ausbaustrecke zu erneuten Fixkosten sowie zu Sonderabschreibungen führt.